Einen Stadtpalast in Venedig besitzen? Am Beispiel des vielleicht schönsten Palazzos in der Lagunenstadt, der Casa d’Oro, vertiefen wir uns in eine mit reichem Maßwerk geschmückte Fassade am Canal Grande. Mit Wonne betrachten wir verzierte Fenster, Bögen und Balustraden und träumen uns in den Baustil der „flammenden Gotik“ hinein. Dabei erfahren Sie auch, wie sich ein Palazzo in Venedig aus architektonischer Sicht aufbaut. Und Sie spüren zudem in die Sichtweisen eines Dichters hinein.
Anleitung: Achtsamtkeitstraining
Info: 5-min.-Entspannung Mo. + Mi.
Therapeutischer Nutzen: Achtsamkeit
Prachtstraße der Palazzi
Ein erster Blick auf die Fotos mit dem Palazzo Casa d‘ Oro (siehe weiter unten) lädt dich zu einem visuellen Genusserlebnis ein. Lies dir zunächst in aller Ruhe die kulturhistorische Einführung durch:
Der Canal Grande wird von über 200 prächtigen Adelspalästen gesäumt. Hinsichtlich der Bezeichnung „Palast“ ist in Venedig zwischen den Wohnpalästen der Stadt und ihren öffentlichen großen Palästen – wie zum Beispiel dem Dogenpalast – zu unterscheiden.
Nach dem großen vierten Kreuzzug (1202 – 1204), der nach Konstantinopel führte (und es leider auch zerstörte) wurden die alten Holzhäuser Venedigs von byzantinisch geprägten Steinbauten abgelöst. Insbesondere in den Maßwerkformen der gotischen Fenster blieben byzantinische Elemente aus dem 13. und 14. Jahrhundert erhalten.
Aufgrund ihres Maßwerkschmucks an der Fassade zum Canal Grande gilt die Casa d’Oro als schönster Wohnpalast Venedigs, sind es doch gerade jene filigranen Steindekorationen, die den Betrachter in eine märchenhafte Welt versinken lassen. Wenn man auf den Holzstegen der gegenüber liegenden Kanalseite oder auf dem Steg am Haus steht, kann man den Palast in Ruhe betrachten.
Die Casa d’Oro erscheint wie eine verkleinerte Ausgabe des Dogenpalastes. Dem Maßwerk kam in der sog. „flammenden Gotik“ eine ganz besondere Bedeutung zu. Bögen, Fenster und Säulen wurden mit durchbrochenen Mustern aus Stein verziert. Der Name Casa d’Oro stammt von den marmornen Steinmetzarbeiten und deren goldener Bemalung im Mittelalter ab.
In den beiden „Piani nobili“ finden wir Loggien mit jeweils sechs Bögen und reich verzierten Inkrustrationen. Ein „Piano nobile“ bezeichnet das erste Obergeschoss eines venezianischen Wohnpalastes, das als repräsentatives Vollgeschoss besonders reich verziert war. Bei der Zählung der Geschosse darf man das Mezzanin nicht vergessen, welches eine Art Zwischengeschoss darstellt. Oft wohnten hier die Dienstboten oder auch Gäste.
Während das Vollgeschoss eine herrschaftliche Höhe besitzt, ist das mit einer Einliegerwohnung vergleichbare Mezzanin vielleicht nur halb so hoch. Rainer Maria Rilke wohnte während seiner Aufenthalte in Venedig u.a. im Mezzanin des Palastes seiner Mäzenin, der Fürstin Marie von Thurn und Taxis.
Die Arkadenreihe im Erd- bzw. Wassergeschoss diente dem Ein- und Ausladen von Waren. Das ebenfalls zum Canal Grande offene erste Obergeschoss ist ein architektonischer Ausdruck des herrschaftlichen Saales, der über die ganze Gebäudetiefe bis zum Balkon führt und sich im Grundriss als zentraler Saal des Hauses widerspiegelt.
Trotz ihrer luftig-lichten Bauweise wirken viele Paläste Venedigs in ihrem Inneren sehr dunkel, was vor allem den hinteren Teil des Saales betrifft. Mit einem Innenhof, der ebenfalls der Warenlieferung diente, stoßen die Adelshäuser dort an die engen Gassen der Serenissima.
Erneute Betrachtung des venezianischen Wohnpalasts:
Schau dir die 4 Fotos an und lass sie zunächst vollkommen frei und unbefangen auf dich einwirken! Wenn du ein Foto anklickst, kannst du es vergrößern und auch in seiner Originalgröße ansehen.
Die Fassade eines Palazzos in Venedig betrachten
Rainer Maria Rilkes ungewohnte Perspektiven und Tiefenblicke bzw. das Einfühlungsvermögen eines Dichtertalents nahmen der Fürstin Marie von Thurn und Taxis auf ihren Spaziergängen mit dem Dichter durch Venedig bisweilen den Atem. Die gemeinsamen Unternehmungen waren für die Fürstin ganz besondere Erlebnisse, denn Rilke nahm alles anders auf, als gewöhnliche Menschen. Er besaß eine besondere Fähigkeit, das Wesen der Dinge zu erkennen.
Stell dir vor, du wärst ein Schriftsteller. In einem Roman möchtest du die Fassade der Casa d’Oro beschreiben und fantasievoll als Sujet verarbeiten:
- Betrachte die Gesamtansicht des Palastes in aller Ruhe und analysiere die Anzahl der Etagen! Wie viele Zwischengeschosse bzw. Mezzanine kannst du entdecken? Man erkennt sie an den kleinen quadratischen Fenstern. Die innere Anordnung der Räume ist an der Fassade abzulesen.
- Beim genauen Hinschauen fällt dir gewiss die Kleeblattform im Maßwerkschmuck auf. Man findet sie auch am Dogenpalast in Venedig. Wodurch unterscheidet sich das Maßwerk im ersten und im zweiten Piano nobile?
- Vergleiche die Arkadenbögen in der unteren Etage, dem Piantereno, mit denen in den beiden oberen Etagen. Die Bogenstellung des Wassergeschosses weist auf die schon beginnende Renaissance in Venedig hin. Analysiere, wodurch sich die einzelnen Säulenkapitelle und die Rundbögen des Wassergeschosses unterscheiden!
- Die „flammende Gotik“ zeichnet sich dagegen durch eine scharfkantige, unruhige bzw. verspielte Profilierung aus. Durch die Einführung des Maßwerkes hatte sich die Verbindung zwischen Säule und Bogen verändert.
- Betrachte jedes einzelne Fenster an dem Wohnpalast! Wie ist es geformt und wodurch unterscheidet es sich von den anderen Fenstern?
- Welche weiteren Verzierungen kannst du an der Fassade des Palastes entdecken? Schön sind auch die doppelten Eckrahmungen im Stil gedrehter Taue und die Zierzinnen über dem Dachgesims! (Das Wasser für die Zisternen kam zum Teil von den Dächern der Paläste.)
- Versuche, deine Gefühle beim Anblick des Palastes wahrzunehmen. Spüre in die Fassade, die aus Stein gemeißelter venezianischer Spitze gleicht, und in dich selbst hinein!
- Stell dir vor, du würdest im Mittelalter in dem Palast wohnen. Die Adelsfamilien lebten früher vom Handel. Die Waren wurden von den Schiffen gebracht, die an den sog. Pali (Holzpfählen) angebunden wurden. Die in der Regel bunt bemalten Holzpfähle an den Palästen Venedigs fallen ins Auge (siehe oberstes Foto vom Canal Grande). Mit ihrer individuellen Farbgebung glorifizieren sie auch den Hausherren.
- Mit Entdeckerfreude konntest du vielleicht ein besonderes Auge für das Wertvolle in der Architektur der Paläste Venedigs entwickeln und einen Unterschied zu deiner vorherigen Sicht wahrnehmen? Genieße diese Energie!
Und solltest du jetzt unbedingt einen Palast in Venedig besitzen wollen, dann tröstet dich vielleicht, dass sich auch der berühmte Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi diesen letzten Traum nicht erfüllen konnte.
Galleria Giorgio Franchetti
In der Casa d’Oro ist heute die Kunstsammlung des Barons Franchetti zuhause (www.cadoro.org, Anleger: Ca‘ d’Oro). Die Sammlung umfasst eine große Anzahl von Meisterwerken. In der rechten seitlichen Gasse befindet sich der Eingang zum Innenhof des Gebäudes, wo sich auch der Brunnen von Bartolomeo Buon befindet, dem Architekten des Hauses. Der Brunnen aus dem Jahre 1427 ist ein Meisterwerk aus rotem Marmor.
Venedigs Paläste wurden mit den roten Marmorsteinen aus Verona und dem weißen Kalkmarmor Istriens erbaut. Ebenso wurden Unmengen von Holz über hunderte Kilometer herangeschafft. Die Lagunenstadt steht auf tausenden Eichenpfählen, die viele Meter tief in den morastigen Untergrund getrieben wurden.
Die Lichtreflexionen des Elementes Wasser spiegeln auch in die Innenräume der Casa d’Oro hinein. Bei einem Besuch der Galerie kann man dieses Lichtspiel von durchbrochenen Maßwerkformen und schillerndem Wasser sowie verschiedene Meisterwerke der Kunst genießen:
- eine Venus des venezianischen Meisters Tizian
- Verkündung und Tod der Jungfrau Maria von Vittore Carpaccio
- Veduten von Guardi und Skulpturen von Tullio Lombardo
- von Tizian und Giorgione stammende Freskenüberreste
- Bilder von van Dyck und Mantegna
- flämische Gobelins und Möbel aus Gotik und Renaissance
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