Nach diesen ersten Reisetipps möchten wir Ihnen im folgenden Beitrag erzählen, was man auf einer Holzhausreise an der Südküsten Norwegens erleben kann. Die Sorlandküste hat in Norwegen nicht nur die meisten Sonnenstunden pro Jahr; die Kapitänsvillen in den weißen Fischerorten, die sich am Skagerrak wie Perlen aufreihen, sind Edelsteine des Wohninteriors
Norwegen-Folge-Beiträge: Das Weiß der Kapitäne
Herzliche Gastfreundlichkeit
„Wir wissen, wie das ist, wenn man spät abends irgendwo ankommt… Früher waren wir viel auf Reisen.“, antwortet die Frau auf unsere Frage nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Wir folgen der englischen Wegbeschreibung des freundlichen Pärchen, kurven eine schmale, steile Straße hinauf. Hinter der nächsten Wegecke: „Baaah!“. Ein schneeweißes Märchenschlösschen leuchtet in der Dunkelheit.
Die Frau geleitet uns jedoch in das ochsenblutrote Gartenhaus, zeigt uns den Wasserschlauch am Haus. Das Plumsklo ist im Blockschuppen, wo die Hühner gackern und „schon früh um 6 Uhr die Hähne krähen“. Eine alte Scheune, die auch als Kunstgalerie genutzt wird.
Die prächtige Kapitänsvilla mit der Gartenveranda und dem Blick auf den Oslofjord bleiben uns verschlossen. Taktvoll verraten wir der spontanen und gastfreundlichen Norwegerin nicht, dass wir wegen eben jenen Villen hergekommen sind. Mit dem ersten Hahnenschrei hinterlassen wir unser Dankeschön in der Eingangsveranda mit den bunten Butzenfenstern – einen edlen Roten. Wir wissen, dass nicht nur der Wein in Norwegen und an dieser noblen nordischen Riviera teuer ist.
Weiß, weil nun mal alle Häuser weiß sind
Nach wenigen Stunden klirrt das Sonnenlicht. Peppig gestylte Rollschuhläufer pflegen auf dem sauberen Asphalt im mondänen weißen Asgardstrand den skandinavischen „way of life“. Im Edward Munch Café weiß man nicht unbedingt, wo sich das gelbe Künstlerhaus des Außenseiters befindet. Schließlich ist man zum Flanieren hier.
An der Sonnenküste Sorlands wirken die ganz in Weiß gehaltenen Holzhäuser eher konservativ barock als verspielt. Ihr sonniger Charme geht jedoch selbst dem Nonkonformen durch Mark und Bein. Der Künstler Edward Munch wandelte durch die Orte wie „zwischen seinen Gemälden“.
Den Garten an seinem „Glückshaus“, eine einfache Fischerhütte, ließ er verwildern. Hier konnte er frei und unbeschwert schaffen. Hoch über den Klippen stellte er seine aufmüpfigen Bilder zur Schau. Doch die biederen Spaziergängerinnen hielten scheu ihre Sonnenschirme davor, damit sie weder Bilder noch Garten sehen mussten.
Rüschchengardinen und ein „Schrei“
Konservativ sind die Frauen an der Sonnenküste scheinbar noch heute. An ihren Fenstern hängen dezente Rüschengardinen – natürlich weiß… und ziemlich einheitlich. Alles wirkt zwar strahlend hell, aber auch herb und etwas monoton; das Meer ist statt türkisfarben eher kobaltblau.
Traditionell müssen die Holzständerhäuser an der Sorlandküste regelmäßig weiß gestrichen werden. Wer eine andere Farbe will, muss den Amtsschimmel reiten. Früher war die weiße Leinölfarbe teuer. Reiche Kaufleute und Kapitäne brachten sie von ihren Reisen mit.
Und so sind die Häuser an der südnorwegischen Skagerrak-Küste heute weiß, weil nun mal alle Häuser dort weiß sind. Edward Munch malte sie in seinem Bild „Mädchen auf der Brücke“. In seinem Werk „Tanz des Lebens“ verkörpern die weißen Kleider der Frauen Unschuld und Jugend.
Allein die Abendsonne taucht die Küstenorte in lilarotes Licht. Auch am Olsofjord, wo Munch in diesen andersartigen Abendtönen sein weltberühmtes Gemälde „Der Schrei“ schuf. Dort lehnt sich niemand schreiend gegen die althergebrachte Gleichschalterei, gegen all jene noblen und netten Gepflogenheiten auf.
Vorschau: Im nächsten Beitrag folgen wir dem Weiß der Kapitäne nach Risør und Grimstad, wo einst auch Henrik Ibsen weilte.
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