Logiert man auf der altertümlichen Halbinsel Nessebar an der bulgarischen Schwarzmeerküste, dann schallt in aller Herrgottsfrühe der Weckruf. Wenn die Fischerboote mit prallen Netzen im Morgengrauen heimkehren, wird man auf natürliche Weise aus dem Schlaf gerissen. Die Einwohner Nessebars begegnen den Möwen mit Ehrfurcht. Die Hafenstraße „ul. Tschaika“ trägt sinnreich ihren Namen.
Möwen-Beiträge im Bernsteinrose-Blog:
- Fantasiereise mit einem schönen Möwen-Video!
- Über Freiheit, Kunst und die Möwe Jonathan
- Achtsam die Möwen beobachten
Es war die Möwe!
Was ist das nur für ein Radau! Es gackern die Hühner, eine Herde Kühe brüllt lautstark los, und ein Esel gibt auch noch seinen Senf dazu. Urlaub auf dem Bauernhof? Dabei duftet es doch rundherum nach Meer und Fisch! Jetzt bellt auch noch ein Hund, und ein paar Mietzen miauen herum. Ziegengezetter und Unken…
Da stimmt doch was nicht! Sollten die Seelöwen vom „Kap der Oliven“ bis vor das Fenster gerobbt sein? Alles grölt im Chor – ein Getöse wie in der Geisterbahn. Ein altes Weib zänkert, ein Baby schreit, Gelächter… Jetzt wird man es den Spitzbuben zeigen! Raus aus den Federn, ans Fenster und… Fehlanzeige.
Ein „Handbuch der Vögel Europas“ kann den Fall hinreichend aufklären: Der Lautschatz der gelbfüßigen Silbermöwe – Larus a. cachinnans – umfasst mindestens achtzehn verschiedene Rufe, mit denen die Möwe unterschiedliche Signale ausdrückt. Durch Körperbewegungen unterstreicht der Vogel sein Ansinnen.
Mit Pauken und Trompeten
Das Miauen hat den Möwen in der deutschen Sprache offenbar sogar ihren Namen gegeben. Den „Katzenruf“ hört man bei ihrer Landung und im Beugelauf dient er der intimen Stimmfühlung zwischen Partnern und zwischen Eltern und Küken. Beim Nestlocken ist er oft im Wechsel mit einem gutturalen Gockern zu hören.
Die Hauptvögel tragen im Sommer ein weiß-gräuliches Kleid. Ihr Hauptruf ist ein helles, gellendes „küi“. Die Möwe wittert Gefahr und schlägt Alarm. Wenn sie sich auf einen Bodenfeind stürtzt, kann es klagend oder heulend klingen.
Vorwiegend im Sommer jauchzt die Silbermöwe in Schrägstellung oder im Flug prahlerisch einen langgezogenen Trompetenton wie „aau aau au kjiiiau kjau kjau“, womit sie bei ihrem Liebchen Eindruck schinden will. Das Bellen wird mit leicht gesenktem Kopf dem Jauchzen 1 – 3 mal vorgeschaltet und verkündet „Departure“. Da es deutlich ansteckende Wirkung hat, bellen nicht selten ganze Horden beim „Start“ los.
Pfeifen in Crescendo
Darüber hinaus kann man das Meckern einer Bekassine bei Abflug und im Flug der Möwen vernehmen. Der zarte, melodische Schnappruf (a-i, ä-u, au-i, gu-ü, ü-i-o) mit Betonung auf der zweiten Silbe ist Bettellaut des Weibchens oder Wechselruf der Partner vor der Begattung.
Der Staccato-Ruf (ga’ga’gag) alarmiert die Pulli zur Flucht aus ihrem Versteck oder bedeutet „Angst“. Der Begattungslaut des Männchen dagegen erinnert an das Haushuhn. Die braun geschuppten Pulli pfeifen gern in Crescendo, ihr Bettelweinen verrät Hunger und Verlassensein.
Den federweißen Ruhestörern sei vergeben, denn so etwas hat man noch nicht erlebt. Ohnehin kann man sich ihrer in Nessebar nur mit einem Lauschangriff wehren, um dann mit dem wohltönenden Erwachen der Singvögel erneut in den Traum des Altertums zu versinken.
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