Zum Greifen nahe und doch so fern, dümpelt das bildschöne Eiland im blauen Meer. Jeder zweite Feriengast an der Südküste Elbas stellt seinem Hotelier beiläufig die Frage nach seinem Namen und ist über die prominente Antwort überrascht. Doch weit gefehlt, wenn er sich voller Begeisterung zu einer „sentimental journey“ aufmachen will. Monte Christo ist nicht nur in Alexandre Dumas berühmten Roman und auf der Leinwand fast unerreichbar. Auf den Spuren der Literatur fühlen wir in das Verlangen nach Gerechtigkeit und Trost hinein.
Den Grafen hat es nie gegeben
Man kann es mit der Kamera heranzoomen und auf diese Weise leidenschaftlich nach dem holden Inselchen verlangen, denn nach Monte Christo führt keine Schiffslinie! Kaum eine Yacht oder ein Fischerboot wagen es, in die staatlich geschützten Gewässer Italiens einzudringen. Auf dem felsigen Inselchen leben nur verwilderte Hausziegen und Menschen, die darauf achten, dass es nicht betreten wird.
Früher wohnten dort Mönche, von denen man sich erzählt, sie hätten ihre Kostbarkeiten versteckt. Der berühmte Pirat Dagut brannte das Kloster nieder. Auch das mag Dumas zu seiner Romanhandlung inspiriert haben. Wegen der 500 Monte-Christo-Ziegen zählen Gabi und Rolf Froböse das kegelförmige Eiland in ihrem gleichnamigen Buch zu den „40 kuriosesten Inselchen“.
Den Grafen von Monte Christo hat es nie gegeben, aber dafür sieht man auf der Ile d’If vor den Küsten Marseilles das Loch, das er im Roman benutzt hat, um zu seinem Mitgefangenen Abbé Faria zu gelangen. Seit Jahren gräbt Faria einen Tunnel in die Freiheit… Tatsächlich hatte es wohl einen Abbé gegeben, der ins dortige Chateau wegen Wunderheilung und Hypnose verdammt worden war.
Selbstgefällige Intrigen
Als Vorlage für den Grafen von Monte Christo diente dagegen ein Schuhmacher, der von böswilligen Nachbarn denunziert und deshalb viele Jahre lang im Gefängnis saß. Die Beteiligten an der Intrige waren gesellschaftlich aufgestiegen, selbstgefällig bekleideten sie hohe Positionen.
Als Erbe eines Geistlichen gelangte der Schuhmacher schließlich zu Reichtum und nahm blutige Rache. Im Roman verkörpert ihn Danté, der den Schatz von Monte Christo holt, mit Diamanten dem Verräter die Zunge löst und seine Feinde in den Selbstmord oder Ruin treibt. Auch eine Sklavin kauft er frei.
In einem der vielen Filmstreifen zum Roman gelangt Gérard Depardieu als Danté nach Monte Christo, jedoch sieht man statt dem italienischen Eiland das Felsenriff Filfla bei Malta. Wenn es um den berühmten Roman geht, ist die Vielfalt der Inselchen regelrecht verwirrend. Wer auf Elba Urlaub macht, kann weder auf literarischen noch auf den Spuren von Gérard Depardieu wandeln. Filmkulissen haben mit den eigentlichen Schauplätzen oft nur wenig zu tun.
Den Inselblick entspannt genießen
Aber an Elbas holden Stränden kann man entspannt hinaus schauen und gelassen die Pointe der romantischen Story reflektieren: „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“ Dumas, der aufgrund seiner negroiden Herkunft immer wieder verschmäht worden war, konnte vielleicht ein Lied davon singen.
In seinem Buch verschaffte er sich Luft: Sein Lebensglück zerstört, verbringt sein Romanheld unschuldig 14 Jahre Kerkerhaft. Auf der unbewohnten Insel Monte Christo ist jedoch ein Schatz vergraben. In einem Leinensack entkommt Danté der Festung, holt den Schatz und kehrt als reicher Mann nach Frankreich zurück.
Was hat den Roman so erfolgreich gemacht? Es ist wohl vor allem die Genugtuung, die der Leser erfährt, die Sehnsucht nach Trost und Gerechtigkeit. Nicht selten bleibt letztere aufgrund gesellschaftlicher Machtverhältnisse verwehrt. Jedoch ist das Sehnen kraftvoller, als man denkt.
Es lässt so manchen Phönix aus der Asche steigen. In wundersamster Weise sieht sich der Romanheld Danté als personifizierte Strafe Gottes. Der Romantiker Alexande Dumas hat diesem Sehnen Hoffnung gegeben. Der Urlauber auf Elba dagegen kann sich auch mit einem Schiffsausflug zu einem Nachbarinselchen in dem kleinen Archipel trösten. Monte Christo bleibt ein schöner Traum.
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