Wer die Schönheit der Insel Skiathos entdecken will, sollte sich von dem Rivieraasphalt auf die verwegenen, schlaglochreichen Abwege wagen, die über Stock und Stein schroff bergan in ihr unbewohntes Hinterland führen. Begehrte Wanderziele sind die alten Klöster mit ihren wundersamen Geschichten.
Sporaden-Folge-Beiträge: Rhapsodie in Blau
Die Klöster Hl. Kunistra und Evangelista
Vom Monasterium „Hl. Kunistra“ führt ein Schottersandweg weiter zu den einsamen Asselinos-Buchten. Eremitisch-asketisch ist hier die Stille. Verstohlen wird der Wandersmann höchstens ein paar Zitronenfalter oder einen Schwarm Möwen aufscheuchen. In einer feinsandigen Felsenbucht klettern ein paar Bergziegen.
Inmitten einer felsigen Landschaft über einem wasserrauschendem Tal liegt das alte Kloster Evangelista. Unterhalb des Karaflytzanaka, dem höchsten Gipfel der Insel, gibt es den Blick zur nordöstlichen Küste frei. Der langbärtige und weißhaarige Klostergeistliche mag vielleicht der letzte Abt sein, der das Kloster seit seinem 200-jährigen Bestehen bewirtschaftet.
Er füttert seine Tauben. Sie gurren in den verfallenen Mauern des Refektoriums, schmettern flügelschlagend durch den Klosterhof, um die sanftgeschwungenen Schieferkuppeln des Katholikons zu bevölkern. In dem einschiffigen Kirchenraum fehlt der Putz. Nur hinter der reichgeschnitzten Ikonostase – im Hochaltar – findet man Wandmalereien.
Gleich einer Fata Morgana – Kloster Kechria
Ein Eselspfad windet sich hinauf zu zwei markanten Riesenpinien, die der kleinen Kapelle „Ag. Taxiarchis“ überproportionales Ambiente verleihen. Dort die Sandpiste bergan, quer durch die Olivenhaine der Gebirgskulisse. Oben ein „Belevue- excellence“ auf die weiße Inselmetropole mit ihrer himmelblauen Hafenbucht. Irgendwo eine Taverne mit Höhenaufpreis für frischen Schafsjogurth mit Früchten, irgendwo ein Wegweiser.
Mit geballter Phantasie läßt sich ausmachen, daß der Abzweig zum Kloster Kechria führt. Die Schottersandpiste dorthin – so steil hinab wie zuvor hinauf. Zu Fuß geht’s besser. Eine malerische, zerklüftete Landschaft, umkreiselt von dem salztrunkenen Blau. Jetzt die Höhenschweife von Euböa und Pilion am Horizont. Nach einigen Wegkurven Hitzemarsch steht urplötzlich, wie eine Fatamorgana, das Kloster vor der piniengrünen Kulisse.
Die Kuppel leuchtet rosa-blau – anmutig, ein wenig orientalisch wie ein Märchenschlößchen aus „Tausend und einer Nacht“. Verlassen ist das kleine Heiligtum. Am liebsten möchte man Pope sein, um seine verspielten Fresken vor ihrem endgültigen Verblassen zu bewahren.
In dem nach Pinien und Meer duftenden blauen Arkadien drumherum möchte man glauben, dass irgendwo ein Ikonenbild an einem Ölbaum hängt. Um die wundertätigen Tafelbilder in den orthodoxen Kirchen Griechenlands spinnen sich die unglaublichsten Geschichten, die einen hochinteressanten Einblick in den Volksglauben vermitteln. Da sollen gestohlene Ikonen den Weg zurück in ihre Kirche gefunden haben oder ganz allein von Kleinasien nach Griechenland gepilgert sein. Einige Kirchen und Klöster haben sich durch ihre wunderwirkenden Ikonen ansehnliches Vermögen verdient.
Robinson lässt grüßen
Dann den Hang mit den knorrigen Olivenbäumen hinab. Ein Ziegenpfad schlängelt sich zum reißenden Bach, der unter dem Schatten riesiger Platanen angenehme Frische mit sich führt. Eine lange Otter huscht über den Weg, zischelt giftig und ängstlich zugleich.
Breit, zauberhaft blau und glitzernd öffnet sich schließlich das Meer mit der Kechria-Bucht. An der Bachmündung ein rostiges Rohr als Dusche. Die kleine schilfbedeckte Taverne oberhalb der kalkweißen Felsen bewirtschaftet eine Frau mit ihren beiden Söhnen. Ansonsten nur der Wandersmann, der Schnorchel, die Möwen und das Meer. Robinson lässt grüßen.
Je herrlicher der Sonnenuntergang an dieser Kante, desto beschwerlicher die Rückfahrt bei Dunkelheit. Die abschüssige Schlaglochsandpiste bis zur Inselhauptstadt wird fast zum Martyrium. Keine Laterne, kein Wegweiser mehr erkennbar. Ein schier endloses Wandeln im Mondschein, unter dem Leuchten tausender Sterne und über der lichterschillernden Stadt, in der man am Abend bei Bouzouki-Fantasien, Sirtaki und dem Keep-Smiling der Gastgeber rundum Unterhaltung findet
Vorschau: Der vierte Teil der Beitragsfolge über die nördlichen Sporaden führt auf die bezaubernde Insel Skopelos. Wir besuchen ihre malerische Hafenstadt und das Bergdorf Glossa.
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