Kampanien hat für die Architekturgeschichte das prächtige Landhaus hervorgebracht. Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde die Küste zwischen Neapel und Sorrent zu einem beliebten Erholungsgebiet für wohlhabende Römer und Schauplatz ihres ausschweifenden Lebens. Die Bau- und Wohnphilosopie der alten Römer äußert sich noch heute in den prächtigen Villen am Mittelmeer.
Folgebeiträge Wohn- und Bauphilosophie in ENTSPANNT WOHNEN:
Lebensfreude und Luxus in Pompeji
Torre Annunziata ist heute ein kleiner Industrieort, an dem sich der Volksbadestrand der Neapolitaner erstreckt. Doch wer weiß schon, dass dort einst Johann Wolfgang von Goethe die Aussicht nach Sorrent genoss und seine Gedanken über Pompeji niederschrieb.
1787 frohlockte er aus Caserta: “Neapel ist ein Paradies, jedermann lebt in einer Art von trunkener Selbstvergessenheit”. Der Reisende ist immer wieder beeindruckt von den romantischen, alten Landvillen, die aus der römischen Villegiatur hervorgingen.
In dem Bautypus der villa urbana erlangten Luxus und Macht in der römischen Zivilisation ihren Höhepunkt. Die Kaiservilla Oplontis mit ihren 37 Räumen im Südosten von Torre Annunziata zählt seit 1967 zu den schönsten Ausgrabungen von Pompeji.
Das Feng Shui der Antike
Die römischen Villen sind Ausdruck einer vollendeten Bau- und Wohnphilosophie. Laut der Baugeschichte verlieh schon allein ihre Lage in der Landschaft der Perspektive eine artistische Figur. Nicht ohne Grund gab es die Winter- und Sommerspeisezimmer. Die Winterspeisezimmer und auch die Bäder sollten gegen Südwest gerichtet sein, weil man das Abendlicht nutzen wollte.
Am späten Nachmittag bzw. am Abend nach dem Baden nahmen die Römer die Hauptmahlzeit auf Klinen (Liegen) ein. Offensichtlich blickten sie dabei gern auf die Insel Capri, wo die Sonne seit jeher „im roten Meer versinkt“. Auch beim Baden ließen sie sich von der tiefstehenden Sonne wärmen.
Die Sommerspeisezimmer richtete man – ebenso wie die Gemäldesäle – nach Norden aus. Schlafzimmer und Bibliotheken hingegen nach Osten, denn ihre Benutzung erfordert die Morgensonne.
Antikes Leben zum Anfassen
Die römische Stadtvilla domus war geschlossen (siehe unser Beitrag über das Pompejanum in Aschaffenburg) – im Gegensatz zu den auf allen Seiten geöffneten Panoramavillen. Aber ebenso wie in der villa urbana war die Anordnung der Räume in den römischen Stadthäusern stets symmetrisch, wobei ganz bewusst auf Blickachsen bis in den Gartenhof hinein geachtet wurde.
Mittelpunkt des römischen Hauses ist das Atrium, von dessen offenem und nach innen geneigtem Dach gelangten nicht nur Licht und Luft in die quadratische Säulenhalle, auch das Regenwasser wurde in einem schönen Marmorbecken im Boden (impluvium) aufgefangen. Erfrischend plätscherte ein kleiner Springbrunnen. Der Säulengang spendete unter der heißen Sonne des Südens angenehmen Schatten. Perfekt berücksichtigten die Römer den Sonnenstand. Die Wandelhalle hat dann am wenigsten Sonne, wenn diese am heißesten auf ihrem Dach liegt.
Der Charakter einer Landstadt drückt sich deutlich in den luftigen, weiten Peristylhöfen mit ihren Säulengängen und den stillen Gärten Pompejis aus. Dass sich die Bewohner im alten Rom auf engem Raum zu helfen wussten, beweisen die zur illusionistischen Durchbrechung der Wand neigenden Landschaftsmalereien in den Gartenhöfen der Stadtvillen.
Heilsames Zinnober und schillernde Mosaike
Beim Badebereich der römischen Villen handelte es sich um überwölbte Räume. Das kleine Privatbad im Haus des Menander mit seinen Mosaiken ist eines der elegantesten in Pompeji. In der Apsis des Saunaraums (calidarium) sind Badeszenen mit Flusslandschaften und Frauengestalten dargestellt.
Für die Architekturgeschichte sind die Thermen von allergrößter Bedeutung. Ihre Kreuz- und Kuppelgewölbe finden wir im Kirchen- und Schlossbau Europas wieder. In den Thermen erlangte die römische Fußbodentechnik ihren Höhenpunkt. (Mosaike waren so beliebt, dass Cäsar sie sogar auf Feldzügen mit sich führte, um sie in seinen Zelten auslegen zu lassen.) Der Fußboden war eine schillernde Symphonie von Mustern, Bordüren und Ornamenten.
Die Decken erinnerten mit ihren illusionistischen, sternförmigen Stuckdekorationen an ein Himmelszelt. Die farbenfrohen Malereien an den Wänden waren eine Augenweide. Das allgegenwärtige Zinnoberrot betrachteten die Römer als eine Art Heilmittel, hinzu kamen Kupfergrün, Purpur und Armenischblau. Der Freskenzyklus in der Landvilla del Misteri vor den Toren Pompejis gilt als größtes erhaltenes Denkmal antiker Malerei.
Fortsetzung: Die Beitragsreihe „Wohn- und Bauphilosophie“ wird im nächsten Beitrag mit dem Thema „Wohnliches Kinderzimmer“ fortgesetzt.
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