Ebenso wie die kleinformatigen Bilder erstaunt auch das Haiku immer wieder durch seine große Ausdruckskraft auf kleinstem Raum, wobei ihm das Bild neben der eigenen Assoziationslenkung seitens der sog. Jahreszeitenwörter von jeher eine weitere Möglichkeit der Aussagepräzisierung bot. Nicht selten waren die Haiku-Dichter auch begabte Maler. Bild und Vers wurden häufig in einem Arbeitsgang erschaffen.
Überblick Beitragsfolge „Bilder einer interkulturellen Ausstellung“
Lyrik und Klang in der Ausstellung
Auch die Poesie ist Klang, wobei die Musik der Vokale eine bedeutsame Rolle spielt. Aufgrund seiner Kürze kann ein Haiku auch als eine Art von Mantra dienen. Ebenso kann die Vokaltönung anstelle eines Sprechgesangs oder Mantras eingesetzt werden. Ihre verschiedenen Klänge resonieren in den unterschiedlichen Körperbereichen.
Die Poesie kann musikalisches Vergnügen bereiten, indem sie neben der Bedeutung (Inhalt) wie Musik wahrgenommen werden kann. In diesem Sinn differenziert sich die Musik auch von der Malerei, wobei die abstrakte, gegenstandslose Malerei (vor allem auch aufgrund ihrer Farbklänge) der Musik nähersteht als die gegenständliche Kunst oder Prosa.
Musik und Kunst sowie Lyrik und Klang sind sowohl eine Pforte zum Selbst als auch eine Brücke zum Kosmos. Das Einswerden des eigenen Ichs mit dem schöpferischen und künstlerischen Geist des Weltganzen bildet auch die Grundlage der Haiku-Dichtung. Trotz ihres verb- und subjektlosen Telegrammstils zwingt das Haiku zur genauen Wahrnehmung, wodurch es der Lebenshaltung des Zens sehr nahesteht.
Haikus sprechen das gesamte Orchester der Sinne an, sie fordern auf, die Natur und Landschaft in sich aufzunehmen, im „Hier und Jetzt“ zu ihnen heimzukehren. Die intensive Vertiefung in die Natur führt zu einer bestechenden Bildhaftigkeit, welche wiederum zum Malen anregt.
Kleinformatige Bilder zum Entspannen und Sammeln
Bei dem Haiku-Dichten handelt es sich um einen Weg der stillen Betrachtung und Versenkung, um einen Weg der Meditation. Es findet auch auf anderen Gebieten der japanischen Kunst seine Parallelen. Auch in den Miniaturgärten Japans und in den Ikebanas wird die vollendete Schönheit auf kleinstem Raum und mit sparsamsten Mitteln gestaltet.
Das japanische Gedicht hängt ferner eng mit der Tuschemalerei und mit der mit ihr verwandten Kalligrafie zusammen. Letztere mag wiederum auch zur Ausbildung des Kurzgedichtes beigetragen haben, sollte doch ein Gedicht an dem Rand eines Rollbildes Platz haben. In knappster Form sollte es seinen vollen künstlerischen Ausdruck finden und nach längerem Einfühlen die dahinter liegende Wirklichkeit preisgeben.
Während das kleine Format in Deutschland eher weniger Beachtung findet, genießen die Haiku-Dichter und Maler in Japan eine hohe gesellschaftliche Anerkennung. Die Hinwendung zum Bescheidenen und Geringfügigen gilt dort im Sinne des Zens als elitär. Nach dem Motto „Klein ist groß“ sollen unsere Kunstinstallationen auch dazu anregen, diese Kunst zu fördern und kleinformatige Bilder zu sammeln.
Unsere interkulturellen Ausstellungen finden alljährlich statt!
Copyright: Gabriele Walter und Kurt Ries
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